Innovativ und ökologisch

    CARROSSERIE SUISSE – Das Carrosseriegewerbe bewegt sich in einem dynamischen Umfeld: Fachkräftemangel, Energiemangellage und Lieferengpässe sind zurzeit grosse Herausforderungen. Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und viel Innovation zeigt die Branche mit dem neuen Nachhatligkeitslabel green repair car.

    (Bild: Pino Stranieri) Eine flexible Branche mit viel Potenzial: Gerade in der Grundbildung ist carrosserie suisse und seine Betriebe sehr aktiv. Der Beruf der Carrosserielackierin ist bei den Frauen sehr beliebt.

    Das Carrosseriegewerbe hat in den letzten Jahren eine rege Entwicklung durchgemacht. Dies einerseits auf der technischen Seite mit neuen Techniken der Fahrzeuge, komplexeren Materialien sowie neuen Mischbauarten. Zudem nimmt gemäss Daniel, Röschli Direktor carrosserie suisse, der Wettbewerbsdruck – auch im Zusammenhang mit der ausländischem Standardbau – im Nutzfahrzeugsektor stark zu «Diese Nische wird immer enger.» Andererseits steigt der administrative Aufwand immer mehr. «Die Administration wird von Versicherungsseite zu den Betrieben delegiert. Und für die Schadensabwicklung nutzen Versicherungen zunehmend die Möglichkeit der Digitalisierung.»

    Die carrosserie suisse Fachbetriebe heben sich ab durch eine gute Struktur und Gesamtbild sowie durch ein anspruchsvolles Anforderungsprofil, das den Kundenbereich, Personal, Infrastruktur etc. umfasst. Grössere Betriebe zeichnen sich als Eurogarantbetriebe aus. Sie sind noch professioneller und breiter aufgestellt und erfüllen noch höhere Standards. Auch die Anforderungen an die Carrossiers haben sich massiv verändert: «Heute wird schon lange nicht mehr nur Blech bearbeitet. Jede Stossstange verfügt über Sensoren. Ohne Diagnosegerät und Know-how bezüglich Elektrik und Elektronik geht gar nichts mehr», stellt Röschli fest. Auch die Schadensthematik hat sich gewandelt. «Ein mittlerer Schaden bei einem günstigen Auto wird von der Versicherung schnell zum wirtschaftlichen Totalschaden werden. Denn der Werkplatz Schweiz ist teuer», so Röschli. Auf der anderen Seite hilft die Digitalisierung mit intelligenten Fahr- und Assistenzsystemen, die Schadensquote zu vermindern. Da in Folge der Lieferengpässe Ersatzteile teilweise schlecht verfügbar sind, wird viel mehr repariert. «Dies bedingt unter anderem, dass wir auch bei unseren Qualifikationsverfahren flexibel sein müssen, da die benötigten Mengen an Ersatzteile nicht garantiert werden», stellt Röschli fest. Ebenso wälzen sich die hohen Energiekosten auf die Materialkosten ab. «Beispielsweise für Lacke sind die Preise stark gestiegen. Aber auch Trocknungsanlagen sind sehr energieintensiv, so dass viele Betriebe bei ihren Basiskalkulationen Zuschläge machen müssen», sagt Röschli.

    Auf Augenhöhe ausbilden
    Die Berufsbildung ist ein Kernthema des engagierten Verbandes. Rund 600 Lernende starteten 2021 in einem der fünf Lehrberufe – Carrosserielackierer/-in EFZ, Carrosseriespengler/-in EFZ, Carrosseriereperatuer/-in EFZ, Fahrzeugschlosser/-in EFZ oder Lackierassistent/-in EBA. «Aktuell haben wir 2000 Lehrverhältnisse. Bei den Carrosserielackierern haben wir einen Frauenanteil von rund 20 Prozent», so Röschli. Entsprechend vielfältig sind dann die Weiterbilungsmöglichkeiten im dualen Bildungssystem bis hin zum Betriebsleiter /-in Carrosserie oder Bachelorabschluss in Automobiltechnik.

    Leider ist es immer schwieriger, Lernende zu finden, und es können nicht alle Ausbildungsplätze besetzt werden: «Gerade die sogenannte Generation Z ist etwas anspruchsvoller und unsere Betriebe sind gefordert hier einen Weg zu finden und aktiv die Rekrutierung des Nachwuchses an die Hand zu nehmen.» Es ist schwierig, Nachwuchs für Handwerker zu finden. Röschli führt dies auch auf den Trend zur Akademisierung wie auch auf falsche und veraltete Vorstellungen bezüglich der Carrossier-Berufe zurück. Eine wichtige Rolle in der Nachwuchssuche ist die Präsenz des Carrosseriegewerbe auf der nationalen und internationalen Bühne wie an Berufsmeisterschaften an den Swiss Skills in Bern. «Die ist eine ausgezeichnete Plattform, unsere Berufe in einem guten Licht einer breiten Öffentlichkeit vorstellen zu können. Hier können die Jungen unsere Berufe selbst ausprobieren und sie werden so zum Erlebnis.»

    Die Carrosseriebranche hat auf Initiative des früheren Geschäftsführer Thomas Rentsch das erfolgreiche Label «Top-Ausbildungsbetriebe» (TAB) ein innovatives Bildungsprojekt lanciert. Das Zertifikat «TOP- Ausbildungsbetrieb»(TAB) zeichnet branchenübergreifend Unternehmen aus, die sich besonders intensiv bei der Ausbildung von jungen Menschen engagieren. Das tun sie, indem sie sich mithilfe von TAB kontinuierlich weiterentwickeln und dadurch ihre Lernenden auf dem Weg ins Berufsleben optimal begleiten. Mittlerweile haben sieben Branchenverbände das Label übernommen. «Wichtig ist, mit den Lernenden ein gemeinsames Ziel zu haben, auf Augenhöhe miteinander zu arbeiten und mit einem langfristigen Fokus auszubilden», so Röschli. Gerade in Bezug auf den Fachkräftemangel – der zusammen mit den hohen Energiekosten und den Lieferengpässen zu den grössten Herausforderungen der Branche zählt – braucht die Wirtschaft Leu- te, welche die Fähigkeit haben, sich mit einer Problemstellung auseinanderzusetzen und selbstbewusst und eigenverantwortlich Lösungen zu finden. «Sie müssen auch in unserer schnelllebigen Zeit flexibel mit einer neuen Situation umzugehen wissen», so Röschli.

    Für die Zukunft will carrosserie suisse weiterhin am Puls der Zeit bleiben und die zahlreichen Herausforderungen des Hightech Zeitalters wie beispielsweise die Elektrifizierung der Fahrzeuge oder neue Vertriebsmodelle, meistern.

    Corinne Remund

    www.carrosseriesuisse.ch
    www.topausbildungsbetrieb.ch

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    Aus der Praxis für die Praxis

    GREEN CAR REPAIR – Das neue ökologische Label erhalten Betriebe, die Reparaturen nach nachhaltigen Standards erfüllen und umsetzen.

    Mit green car repair sensibilisiert carrosserie suisse die Branche und insbesondere Mitgliederbetriebe für eine nachhaltige und ökologische Arbeitsweise bei Reparaturen. Das Label ergänzt die bereits bestehende Zertifizierung als Mitgliederbetrieb durch den Branchenverband. Felix Wyss, Zentralpräsident von carrosserie suisse, verweist auch auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten als green car repair-zertifizierter Betrieb: «Mit dem neuen Label tragen unsere Branche und insbesondere unsere Mitglieder der Umwelt Sorge. Genau darauf legt carrosserie suisse als Branchenverband auch Wert; Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und eine ökologische Arbeitsweise sind die Zukunft.» Und Direktor Daniel Röschli ergänzt: «Die green car repair-Zertifizierung unterstützt im Endeffekt die Betriebe sogar dabei, Kosten im Betrieb einzusparen und mehr Einnahmen zu generieren.»

    Das grüne Label ist aus der Branche heraus entstanden: Sascha Feller, Mitglied der Reparaturkommission beim Verband, hat seinen Betrieb nach diversen nachhaltigen Aspekten ausgerichtet. Er entwickelt das Label weiter und stiess in der ganzen Branche auf positive Reaktionen. Für ihn stellt green car repair eine einzigartige Möglichkeit dar, die Umwelt zu schonen und sich mit dem Label gleichzeitig im Markt zu profilieren: «Es ist ein Aushängeschild für Betriebe. So wissen Kunden und Versicherungen, dass der Betrieb neueste Umweltstandards berücksichtigt und auf ökologische Arbeitsweisen setzt.» Und Röschli doppelt nach: «Wir können so den ökologischen Fussabdruck der Branche verringern. Unser Gewerbe mit den zahlreichen Reparaturen ist geradezu prädestiniert dafür.»

    green car repair Label für umweltfreundliche Werkstätten
    Nebst der Entwicklung des Assessments ist die Axa Mitinitiantin des landesweiten Branchenlabels für jene Betriebe, die nach umweltfreundlichen Standards arbeiten und eine Reparatur, wenn immer möglich einem Ersatz vorziehen. Das Label funktioniert in drei Schritten: In einem Self-Assessment kann der Betrieb klären, ob er die Voraussetzungen dazu überhaupt erfüllt. In einer zweiten Phase überprüft ein Auditor vor Ort die nachhaltigen Arbeitsmethoden des Betriebes, um dann die Zertifizierung zu erteilen. Nach drei Jahren erfolgt eine erneute Überprüfung respektive Rezertifizierung. Dazwischen wird die Qualifikation in einem Remote Assessment geprüft. «Autofahrerinnen und Autofahrern bietet das Label eine Orientierung darüber, wie nachhaltig ein Betrieb arbeitet», so Röschli.  Das Label green car repair steht allen Betrieben in der Schweiz offen, die sich mit Carrosseriereparaturen und Fahrzeugbau beschäftigen.

    CR

    www.greencarrepair.ch

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